Im zweiten Teil des Interviews mit Content-Stratege und Autor Robert Weller sprechen wir darüber, wie man mit ABM konkret loslegt. Es erwarten Sie praktische Tipps und ein wertvolles Gerüst für die Erstellung Ihres Ideal Customer Profile (ICP).
Im ersten Teil haben wir über den Einsatz und die Möglichkeiten von Account-Based-Marketing im B2B gesprochen. Nun befassen wir uns mit der Umsetzung und den ersten Schritten.
Wie man ABM praktisch anwendet und warum trial-and-error eine gute Methode ist, erklärt uns auch dieses Mal Robert Weller, Content Stratege, Dozent und Autor von toushenne.de. Ebenso ist er bei konversionsKRAFT für Content rund um Experimentation und Experience Optimization zuständig.
Wie fängt man mit ABM an? | Pain Points & richtige Ansprache Ihrer Accounts mit jobs-to-be-done Methodik | ICP finden - richtige Daten wählen | Tipp: Anti-ICP/Persona erstellen | Marketingkanäle für Ihre ABM Strategie finden | Zusammenarbeit Sales & Marketing im ABM| Content im ABM | Fazit
ABM lebt davon, dass man seine Kunden und Zielkunden genau kennt, aber nicht für alle Unternehmen ist es eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Marketingstrategie. Deshalb sei die erste Frage, die man sich stellen sollte, ob ABM überhaupt ein sinnvoller Ansatz ist, so Robert im Gespräch. Wer die Frage mit ja beantworten kann, der sollte eine Recherche-Reise zum ICP antreten. Denn die Erstellung des ICP und die Definition des Buying Centers sind die ersten Schritte, wenn man mit Account-Based-Marketing operativ arbeiten möchte.
„Im besten Fall beginnt man mit historischen Daten. Jedes Unternehmen kann für sich reflektieren, woher die eigenen Kunden eigentlich kommen. Im B2B Marketing bedeutet das: mit wem hatten wir alles Kontakt? War es der Marketingverantwortliche, der CFO, der CEO? Und gleichzeitig schauen wir, wer an der Entscheidung beteiligt war. Dann erhält man ein gutes Gefühl für die tatsächliche Struktur des Buying Center. Und dann kann man auch mit der Definition des ICP loslegen.“
Das Buying Center ist dabei eine Detailebene tiefer als der ICP, der ICP legt die Accounts – also idealen Unternehmen, fest; das Buying Center beschreibt die beteiligten Personen an der Entscheidungsfindung in diesen Unternehmen. Bei beiden Tools wird mit Idealbildern gearbeitet, die dann in der Praxis angepasst werden. Der "ideale Kunde" kann zum Beispiel mit diesen Faktoren beschrieben werden:
„Unternehmensgröße, Umsatzgröße, Produkte, Services und vor allem Probleme, zu denen unsere Lösung perfekt passt. Daraus erstellen wir eine Liste und das sind dann die idealen Kunden, die wir im ABM adressieren.“
Wie Sie solch eine Lister erstellen können und wie Sie Zielkunden ansprechen und ABM in Ihre bereits vorhanden Marketingstrategie und -kanäle integrieren können, lesen Sie nun.
Die Jobs-to-be-done Methode wurde von Harvard Professor Clayton Christensen entwickelt. Das dahinterliegende Konzept ist, dass Kunden keine Produkte kaufen, sondern Lösungen für ihre Probleme. Deswegen müssen Unternehmen ihre Produkte/Dienstleistungen und alle Geschäftsprozesse darauf zuzuschneiden die beste Lösung für dieses Problem zu bieten.
„Oft merken wir ja, dass über viele Kunden hinweg ähnliche Probleme oder Schmerzpunkte herrschen und dann kommen wir auf eine persönlichere Ebene. Das Framework eignet sich perfekt, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Was sind die funktionalen, emotionalen, sozialen Dimensionen unser Käufer? Da bietet sich die jobs-to-be-done Methode perfekt für Interviews mit den Bestandskunden oder im besten Fall sogar mit potenziellen Kunden an.“
Wie wir diese Dimensionen nutzen und im Marketing adressieren können, vereinfacht Robert Weller für uns:
„Funktionale Bedürfnisse sind das, was wir mit Content und Kommunikation adressieren können, was eher auf Business Ebene ist und man sagen kann: ihr als Unternehmen habt diese Herausforderungen, dieses Ziel. Und alles was soziale, emotionale Bedürfnisse sind, das ist dann auf persönlicher Ebene, was durch Kommunikation im Sinne einer Sprache, Tonalität, Emotionalität und natürlich dann in der direkten Beziehung kommuniziert und adressiert werden sollte."
Aus diesen Gesprächen zeichnen sich oft ähnliche Denkweisen und auch Entscheidungskriterien ab.
„Mit den geführten Gesprächen findet man heraus, was die Gemeinsamkeiten sind und wo man Muster erkennen kann. Und das sind die Anknüpfungspunkte, wo ich sagen würde, das macht den ICP, also unsere Ideal Customers aus."
Und wer besonders gründlich sein will und den ICP trennscharf definieren möchte, dem rät Robert zu einer analogen Technik: den Anti-Personas bzw. Anti-ICPs.
Bei der Entwicklung des Ideal Customer Profile bieten sich folgende Faktoren an:
Es kann hierbei keine pauschale Aussage getroffen werden. Eine sinnvolle Unterstützung ist eine B2B Datenbank, die die benötigten Daten rechtskonform liefert.
„Die Erkennungsmerkmale, was für einen ICP relevant ist, ist sehr vom Unternehmen abhängig. Es sollte eine spezifische Auswahl der passenden Faktoren erfolgen."
Robert Weller ergänzt, dass der ICP vor allem auch verstanden werden muss, d.h. die firmographischen Daten auch in das "jobs-to-be-done" Prinzip übersetzt werden sollten:
„ABM hat sehr viel mit Timing zu tun und damit zu verstehen, was das eigentliche Problem des Buying Centers und der darin beteiligten Personen ist. Befinden Sie sich noch am Anfang und benötigen viel Erklärung? Kennen Ihre Zielkunden sich bereits aus und brauchen eher operativ Unterstützung?"
Außerdem kann dann auch ein besseres Leadscoring erfolgen, bei dem weitere Merkmale wie zum Beispiel die Kaufabsicht miteinbezogen werden. Mit sogenannter Intent Data, also Daten zur Kaufabsicht, lässt sich auf Firmenebene bestimmen, wie sehr ihre Accounts bereits in ihrer Entscheidungsfindung fortgeschritten sind. Und mit diesem Wissen lassen sich passendere und effizientere Marketingkampagnen launchen.
Der Anti-ACP ist ein machtvolles Instrument, damit ABM so exakt targeten kann wie erwünscht. Robert erklärt den Hintergrund zum Anti-ICP bzw. zur Anti-Persona so:
„Ich empfehle immer auch Anti-Personas zu erstellen und festzulegen, wen wir definitiv nicht als Kunde haben wollen. Um beim Fischen zu bleiben, wenn ich eine Robbe als Beifang habe, sollten die Warnglocken angehen."
Fragen, die bei der Erstellung der so genannten Anti-Persona helfen, sind dabei:
Robert Weller schlägt auch hier vor mit Erfahrungswerten zu arbeiten. Diese Erfahrungswerte zeigen sich in Gesprächen zwischen Marketing und Sales. Das zeigt auch hervorragend, wieso ABM auch als Schlüsselkomponente für eine Symbiose der beiden Bereiche dient. Account-Based-Marketing erfordert einerseits eine hohe Kommunikationsbereitschaft zwischen Sales und Marketing, aber beweist auch, dass bei guter Abstimmung ein enorm hoher ROI erzielt werden kann – von dem beide Parteien natürlich profitieren.
„Auf der einen Seite: was wollen wir (= ICP) und auf der anderen Seite: was wollen wir nicht (= Anti-ICP). Das ist eine gute Ausgangsbasis, um dann entsprechendes Targeting zu starten und unseren Content und die Sales-Kommunikation dahingehend auszurichten."
Die anschließende Frage für Marketer ist hierbei die Auswahl der Marketingkanäle: Social Media, Email, Offline – was ist das Richtige für Ihre ABM-Strategie. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie dazu mehr.
Wenn das Targeting steht, dann müssen Marketer noch die richtige Wahl der Kanäle für Ihre Kampagne festlegen. Robert Weller rät dazu Folgendes:
„Ich bin ein großer Freund von Experimentieren, denn ich kann nicht wissen, was exakt funktioniert und was nicht. Dazu bietet sich das Bullseye Framework der DuckDuckGo Gründer an. Man nimmt in Anlehnung an eine Dartscheibe ein konzentrisches Ringmodell und beginnt im äußeren von drei Ringen: was kann ich überhaupt tun, um meinen ICP zu erreichen oder den Kunden zu akquirieren? Im zweiten Schritt schauen wir uns an, wo das größte Potenzial ist, was wir für Ideen haben, also welche Channels relevant sein können. Das können mehrere vielversprechende Ideen sein. Und als letzten Schritt testen wir diese.“
Außerdem schlägt Robert auch vor, gerade im ABM nach Blue Oceans zu suchen, also noch unentdeckten Marketingkanälen für die ganz spitze Zielgruppe der Accounts.
Die Vielfalt der verschiedenen Personen im Buying Center kann sich also auch in den verwendeten Marketingkanälen zeigen, um diese passend anzusprechen.
Account-Based-Marketing ist eine Methode, von der das gesamte Unternehmen profitieren kann. Es benötigt eine gute Abstimmung zwischen Vertrieb und Marketing, vor allem bereits in der Erstellung der Inhalte für den ICP aber auch schon zu Beginn beim Anlegen des ICP. Der Vertrieb hat Zugriff auf die notwendigen Kundendaten und noch wichtiger, die dazugehörige Erfahrung. Bei ABM geht es schließlich um exakt targetierte Leads, deswegen ist auch während der Umsetzung einer ABM Strategie eine andauernde Absprache sinnvoll.
„Es geht darum die vorhandenen Daten für alle intelligent zu nutzen und dieses Know-How kontinuierlich zu erweitern. Nur gemeinsam können die Annahmen im ABM auf ihre Wahrheit bzw. Wirksamkeit überprüft werden."
Hier können auch Customer Data Plattformen oder auch Sales / Content Hubs unterstützen. Marketing kann den Content kuratieren und Sales diesen wiederum gezielt den Zielkunden in der passenden Phase zur Verfügung stellen. Dabei kann es sich um Whitepaper, kleine Videos, Webinare, oder auch Case Studies handeln.
Content-Marketing spielt im Account-Based-Marketing eine zentrale Rolle. Hier können Sie zeigen, dass Sie ihren ICP und seine Probleme verstanden haben. Durch guten Content zeigen sie Expertise und schaffen Vertrauen bei Ihren Zielkunden.
„Im ABM wollen wir nicht nur eine unmittelbare Nachfrage abdecken, sondern proaktiv Content streuen. Die Leute wissen nicht, was sie nicht wissen. Aber das Schöne an ABM ist, dass wir durch Aussuchen sicherstellen können, dass wir die targetierten Unternehmen wirklich verstehen. Und das können wir natürlich in unserer Kommunikation sinnvoll einsetzen."
Auch hier sind Gespräche mit Bestandskunden eine sinnvolle Ergänzung, um herauszufinden:
Eine weitere Empfehlung von Robert Weller:
„Eine sehr beliebte Methode ist auch Industry Benchmarking. Nehmen wir als Beispiel konversionsKRAFT. Wir schauen uns einen möglichen Kunden zum Beispiel aus der Finanzbranche an und vergleichen mit Wettbewerbern, wie einfach wir etwa ein Girokonto eröffnen können. Wir analysieren diese Strecke aus Kundensicht und machen daraus ein Webinar mit dem Titel "Wo die meisten Banken auf ihrer Website teure Fehler machen" oder sowas. Dann bewerben wir das Webinar im Markt, machen vielleicht noch einen Industry Report dazu. So haben wir das Futter ausgeworfen und müssen nur noch mit dem Speer warten, um in der Analogie des ABM zu bleiben."
Das Targeting kann auf LinkedIn, Facebook und anderen Plattformen bereits sehr exakt vollzogen werden und genau darauf setzt ABM auf. Je klarer der ICP und desto passender die Message, desto höher wird auch der ROI Ihrer Marketingmaßnahmen sein.
Mit Cognism können Marketer auch gezielte Leadlisten aus der DGSVO-konformen Datenbank ziehen und diese dann in Facebook oder LinkedIn als Matched Audience nutzen. Diese Targeting-Liste kann auch mit einem CRM wie SalesForce verknüpft werden und so werden die Ergebnisse transparent und nutzbar für alle.
Account-Based-Marketing ist ein wertvolles und mächtiges Marketinginstrument, das Daten mit Erfahrungswerten und Vertriebsexpertise vereint.
Zum Abschluss haben wir Robert Weller noch um zwei seiner Key Learnings gebeten – was er Marketern rät, die mit ABM loslegen wollen:
Wir danken Robert Weller für das spannende Interview und die wertvollen Tipps – und Ihnen viel Erfolg beim Start Ihrer ABM-Kampagnen!