So gelingt der Markteintritt in UK: Go-to-Market-Strategien mit Erfolgspotenzial
Der Einstieg in einen neuen Markt ist stets eine Herausforderung – denn Strategien, die im Heimatmarkt funktionieren, lassen sich selten 1:1 auf einen anderen Markt bzw. ein anderes Land übertragen.
Das gilt auch für den britischen Markt: Eine eigene Kultur, spezielle Vorschriften und andere Wettbewerbsbedingungen machen eine individuelle Herangehensweise unverzichtbar.
Eine erfolgreiche Go-to-Market-Strategie für Großbritannien muss genau auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten sein. Deshalb teilen wir hier wertvolle Einblicke von UK-GTM-Experte und Gründer von Growth Genie, Michael Hanson.
Die Besonderheiten des britischen Markts verstehen
Es ist allgemein bekannt, dass die USA in Sachen Technologie-Adoption und Innovation die Nase vorn haben – aber Großbritannien ist dabei dicht auf den Fersen.
Michael erklärt:
„Viele Tech-Unternehmen – vor allem die großen Player – haben ihren Sitz in den USA. Denken Sie nur an Sales Tech Unternehmen wie Outreach, Salesloft oder Salesforce.“
„Und ich denke, genau deshalb sind wir in Großbritannien bei der Einführung etwas langsamer.“
Grundsätzlich sind potenzielle Kunden aus Großbritannien offen dafür, neue Systeme auszuprobieren – vorausgesetzt, sie erkennen deren Mehrwert.
Klar, die etwas langsamere Technologie-Adoption kann herausfordernd sein – aber genau das bietet auch Chancen. Wer frühzeitig in moderne Tools und Prozesse investiert, kann sich positiv abheben und echten Unterschied machen.
Denn wer vorausgeht, wird wahrgenommen und sticht mit innovativen Sales-Technologien aus der Masse heraus.
Gleichzeitig – und das sollte man nicht unterschätzen – sind potenzielle Kunden in Großbritannien in der Regel etwas skeptischer gegenüber Sales- und Marketing-Taktiken als etwa in den USA.
Michael ergänzt:
„In den USA gibt’s den American Dream – diesen Traum vom Unternehmertum. Und ich glaube, genau deshalb hat der tägliche Hustle dort einfach mehr Anerkennung.“
In Großbritannien legen in der Regel viele Wert darauf, Entscheidungen eigenständig zu treffen – und nicht das Gefühl zu haben, von Marketingbotschaften oder überredenden Sales-Taktiken manipuliert worden zu sein..
Mit anderen Worten: Go-to-Market-Strategien sollten darauf abzielen, britischen potenziellen Kunden relevante Informationen bereitzustellen, um den Mehrwert deutlich zu machen und Nachfrage zu erzeugen – aber die Finger von zu offensiven Verkaufsmaschen lassen.
Die britische Vertriebskultur verstehen
Das gilt auch für den Vertrieb und insbesondere für Cold Calling in Großbritannien: Grundsätzlich besteht von Anfang an ein gewisses Misstrauen gegenüber Sales Mitarbeitern. Wer also zum Hörer greift, sollte einen triftigen Grund parat haben – und diesen schnell und klar kommunizieren.
Zudem kann es sinnvoll sein, die Outbound-Strategie je nach Region innerhalb des Vereinigten Königreichs anzupassen. Zwar funktionieren nationale Kampagnen und Playbooks grundsätzlich gut, dennoch gibt es spürbare Unterschiede – insbesondere zwischen dem Norden und dem Süden des Landes.
Michael erklärt:
„Ich persönlich – obwohl ich aus London komme – finde es deutlich einfacher, an Leute im Norden zu verkaufen.“
„Ich benutze dafür gerne das Bus-Beispiel: In London sitzt man im Bus oder in der U-Bahn, und keiner spricht einen an. Wenn doch, denkt man sofort: ‚Was will diese Person von mir?‘ – da ist sofort ein gewisses Misstrauen da.“
„Im Norden (oder generell außerhalb von großen Städten wie London) ist es wahrscheinlicher, dass Leute einfach mal eine Konversation mit Fremden führen – sei es im Bus oder am Telefon.“
„Im geschäftlichen Kontext werden sie deshalb vermutlich weniger häufig kontaktiert als Leute in Großstädten. Das heißt: weniger Konkurrenz, weniger schlechte Erfahrungen – das macht sie offener und entspannter.“
Wie in den meisten europäischen Ländern basiert auch der britische Vertrieb stärker auf Beziehungen. Der Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit steht meist über einem schnellen Verkaufsabschluss.
Britische potenzielle Kunden agieren in der Regel vorsichtig und möchten sehen, dass man ihre Bedürfnisse wirklich versteht und echten Mehrwert bieten kann – statt sie zu einem überflüssigen Kauf zu drängen.
Michael erklärt:
„In UK springen potenzielle Kunden nicht sofort auf einen an – sie brauchen Zeit, um die Absicht und den Mehrwert einzuordnen. Es ist kein Markt, in dem man einfach pitcht und sofort abschließt.“
Anstatt sich ausschließlich auf kurzfristige Erfolge zu konzentrieren, setzen Unternehmen im Vereinigten Königreich oft auf eine langfristige Strategie. Wer hier erfolgreich sein will, muss auf Vertrauen, Verlässlichkeit und langfristige Ergebnisse setzen.
Für Sales bedeutet das: Es ist entscheidend, sich intensiv mit dem Business und dem Umfeld der potenziellen Kunden auseinanderzusetzen. Der Mehrwert sollte über mehrere Touchpoints hinweg aufgebaut werden – statt auf einen einzelnen Cold Call zu setzen.
Strategien, die aktives Zuhören betonen und gezielt auf individuelle Anforderungen eingehen, kommen bei britischen potenziellen Kunden deutlich besser an als generische Massenansprachen.
Michael fügt hinzu:
„Was mir besonders wichtig ist: Man kann nicht einfach das gleiche Playbook nehmen und erwarten, dass es in Großbritannien genauso funktioniert. Jeder Markt hat seine Besonderheiten – wer versucht, die Strategie einfach zu kopieren, wird auf Schwierigkeiten stoßen.“
„Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, jemanden aus dem Headquarter, der die Unternehmenskultur bereits verinnerlicht hat, nach Großbritannien zu schicken.“
„Aber ich würde diese Person mit einem lokalen Experten kombinieren – quasi als Übergabe: Die HQ-Person coacht eine britische Führungskraft in der Unternehmenskultur, für drei, sechs oder zwölf Monate – je nachdem, wie lange es dauert. Aber langfristig sollte dann der lokale Experte die Umsetzung übernehmen.“
Denn der lokale Experte kennt die feinen Unterschiede im Markt besser und kann dem Unternehmen dabei helfen, schneller zu erkennen, was in der neuen Region funktioniert – und was nicht.
So sind sowohl die Unternehmens-DNA als auch das lokale Know-how optimal abgedeckt.
Kommunikationspräferenzen in Großbritannien verstehen
Etwas, das man über Personen im Vereinigten Königreich wissen sollte: Ihr Sinn für Humor ist besonders – oft trocken, sarkastisch und selbstironisch.
Dieser Humor kommt auch in Marketing- und Vertriebsinhalten gut an. (Ein Blick in eine Folge der Sendung Peep Show genügt, um das zu verstehen!)
Wer diese Art von Tonfall gezielt einsetzt, kann sich deutlich von der Masse abheben und auch bei eher zurückhaltenden Zielgruppen schnell das Eis brechen – ein echter Vorteil bei der Entwicklung von GTM-Strategien für den britischen Markt.
Ein Beispiel:
Wenn es einem Vertriebler aus einem anderen Markt gelingt, den britischen Humor bei einem Cold Call treffend einzusetzen, sammelt er damit schnell Pluspunkte und kann rasch eine Verbindung aufbauen. Auch Marketingmaterialien, die diesen Sprachstil gut einfangen und den Humor richtig „übersetzen“, dürften bei britischen potenziellen Kunden deutlich besser auffallen.
Hier ist eine weitere Empfehlung von Michael:
„Ich finde tatsächlich, dass wir Briten uns in einem Punkt noch verbessern müssen: Storytelling. Das ist in den USA deutlich verbreiteter als hier.“
„Wenn man direkt mit einer Geschichte in einen Call startest, denkt sich ein Brite vielleicht: ‚Warum erzählt der mir das alles?‘ Also: nicht zu viel, nicht zu früh.“
Die wichtigsten Marketingkanäle in Großbritannien verstehen
Wenn es um die Auswahl geeigneter Kanäle für Ihre Go-to-Market-Strategie geht, stehen zahlreiche Optionen zur Verfügung.
Gerade im B2B-Bereich ist LinkedIn einer der wichtigsten Kanäle im Vereinigten Königreich – sowohl für Marketing als auch für Vertrieb kann die Plattform äußerst wirkungsvoll sein.
Allerdings sollte die Nutzung gut durchdacht sein: Eine Unternehmensseite auf LinkedIn ist zwar weiterhin sinnvoll, erzielt jedoch in der Regel deutlich weniger Reichweite und Engagement als persönliche Profile.
Michael sagt dazu:
„Den Großteil unseres Geschäfts haben wir über mein persönliches LinkedIn-Profil generiert. Regelmäßiges Posten und aktives Engagement waren für uns ein sehr effektiver Kanal.“
Das bedeutet, Sie sollten Ihr internes Team als Expert:innen einsetzen, die regelmäßig Inhalte über ihre eigenen LinkedIn-Profile veröffentlichen – und damit die Markenbekanntheit auf organische Weise stärken.
Denn in Großbritannien reagieren Nutzer generell deutlich stärker auf persönliche LinkedIn-Profile als auf Unternehmensseiten.
Eine weitere Möglichkeit: Investieren Sie gezielt in Thought Leadership Ads, um Inhalte persönlicher Profile zu bewerben. So können Fachbeiträge gezielt ausgespielt werden, ohne sich ausschließlich auf das Unternehmensbranding zu verlassen.
Communities
In einer zunehmend digitalen Arbeitswelt gewinnen Online-Communities an Bedeutung. Sie ermöglichen den Austausch darüber, was in Marketing und Sales funktioniert – und was nicht.
Innerhalb dieser Online-Communities wird auch viel Feedback zu Anbietern gegeben. Daher ist es entscheidend, die Wahrnehmung des eigenen Unternehmens im Zielmarkt zu kennen und sich bewusst zu sein, in welchen Community-Kanälen solche Diskussionen stattfinden. WhatsApp-Gruppen, Slack-Kanäle und spezialisierte Foren werden zunehmend wichtige Orte für Outreach.
Michael erklärt:
„Communities gewinnen immer mehr an Bedeutung – ob über WhatsApp, Slack oder andere Plattformen. Sie bieten digitale Räume, an denen man sinnvoll interagieren kann.“
Persönliche Veranstaltungen
Wenn es darum geht, potenzielle Kunden auf einer tieferen Ebene zu erreichen, bieten persönliche Treffen eine hervorragende Möglichkeit.
Zwar funktionieren digitale Formate nach wie vor gut, doch persönliche Events und Meetings erleben eine neue Relevanz. Britische Kunden wissen die persönliche Note zu schätzen – besonders, wenn jemand sich die Zeit für ein Treffen vor Ort nimmt.
Michael sagt dazu:
„Wir organisieren gerne kleine Abendessen mit rund 20 Teilnehmenden – unsere Partner bringen ihre Kunden mit, und wir unsere. Das ist eine großartige Möglichkeit, sich zu vernetzen und neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen.“
Solche Initiativen fördern engere Beziehungen und schaffen Möglichkeiten zur gezielten Vernetzung zwischen potenziellen und bestehenden Kunden.
Michael erklärt:
„In den USA habe ich deutlich mehr Deals rein digital abgeschlossen – aber in Großbritannien ist ein persönliches Treffen als letzter Schritt oft besonders wirkungsvoll.“
„Die Leute wissen es sehr zu schätzen, wenn man den Aufwand auf sich nimmt, sie persönlich zu treffen – selbst wenn das mal bedeutet, ein bis zwei Stunden mit dem Zug zu fahren.“
Das spiegelt die britische Kultur wider, in der persönliches Engagement und Einsatz als Zeichen echten Interesses und ernsthafter Absicht verstanden werden.
Er fügt hinzu:
„Je digitaler unsere Welt wird, desto mehr Wirkung entfalten persönliche Meetings und Events – einfach weil sie aus dem Gewohnten herausstechen.“
Influencer und Partnerschaften gezielt nutzen
Influencer und strategische Partnerschaften können im Rahmen einer Go-to-Market-Strategie für den britischen Markt sehr wertvoll sein – insbesondere, wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen und neue Zielgruppen zu erschließen.
Michael sagt dazu:
„Die Zusammenarbeit mit Influencern und Partnern hilft dabei, schneller neue Zielgruppen zu erreichen und durch deren Bekanntheit und Vertrauenswürdigkeit an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.“
Solche Kooperationen ermöglichen es Unternehmen, durch die Verbindung mit anerkannten Persönlichkeiten oder etablierten Marken Vertrauen aufzubauen.
Dabei ist es jedoch entscheidend, dass diese Partnerschaften authentisch wirken – sie sollten auf allen Ebenen glaubwürdig und organisch eingebunden sein.
Michael erklärt:
„Es geht nicht nur um strategische Partnerschaften auf CEO-Ebene. Auch Vertriebsteams und Customer Success Manager sollten eng mit Partnern zusammenarbeiten und aufeinander abgestimmt sein, um echten Mehrwert zu schaffen.“
So wird sichergestellt, dass Partnerschaften nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch operativ wirksam sind – und dass die Zusammenarbeit mit Influencern oder Partnern authentisch und substanziell wirkt, nicht bloß wie ein PR-Move.
SEO und Google
Obwohl immer wieder diskutiert wird, ob Google und SEO noch zeitgemäß sind, sieht Michael sie weiterhin als zentrale Kanäle zur Zielgruppenansprache in Großbritannien.
„Auch wenn die Gen Z vielleicht eher auf TikTok recherchiert – große Entscheidungen werden nach wie vor von Menschen in ihren Vierzigern und Fünfzigern getroffen. Und diese nutzen, so meine Erfahrung, weiterhin Google. Google hat immer noch einen großen Einfluss.“
SEO bleibt somit ein wichtiges Discovery-Tool – auch wenn jüngere Zielgruppen zunehmend neue Plattformen nutzen.
Was Sie über DSGVO in Großbritannien wissen sollten
DSGVO ist auch ür Unternehmen, die im Vereinigten Königreich tätig sind, ein zentrales Thema. Dennoch – so kompliziert, wie es zunächst klingt oder im Vergleich in DACH aussieht, ist es in der Praxis nicht unbedingt.
DSGVO-Regelungen beeinflussen Go-to-Market-Strategien, da sie Unternehmen verpflichten, personenbezogene Daten transparent zu verarbeiten – mit Einwilligung und unter Achtung der Datenschutzrechte.
Für Marketer bedeutet das: Opt-in-Kampagnen, personalisierte Ansprache und unaufdringliche Maßnahmen wie Content Marketing oder SEO haben Vorrang. Im Vertrieb kann der Grundsatz des „berechtigten Interesses“ genutzt werden – allerdings nur bei gezielter und relevanter Ansprache.
Michael erklärt:
„Solange man ein berechtigtes geschäftliches Interesse daran hat, jemanden mit Marketing- oder Vertriebsinhalten zu kontaktieren, sollte das kein Problem sein – vorausgesetzt, die Ansprache ist personalisiert und der Grund für die Kontaktaufnahme klar nachvollziehbar.“
Das unterstreicht erneut: Qualität schlägt Quantität im britischen Markt.
Michael fügt hinzu:
„Wenn man dieselbe E-Mail an 2.000 Leute verschickt, kann das schnell als Spam gewertet werden – und nicht mehr als legitimes Interesse.“
Ein klarer Hinweis darauf, dass breit gestreute, ungezielte Outreach-Kampagnen („spray and pray“) in DSGVO-regulierten Märkten nicht zielführend sind.
Fazit
Der Einstieg in den britischen Markt bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich – und erfordert mehr als nur die bloße Übernahme bewährter Strategien aus bisherigen Regionen.
Erfolg entsteht dort, wo kulturelle Besonderheiten erkannt und ernst genommen werden, wo Vertrauen durch echte Beziehungen aufgebaut wird und die Go-to-Market-Strategie gezielt auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmt ist.
Ob über LinkedIn, Online-Communities, persönliche Formate oder Partnerschaften: Eine erfolgreiche GTM-Strategie in Großbritannien setzt auf Authentizität, Individualisierung und nachhaltige Wirkung.
Der britische Markt honoriert durchdachte Kommunikation, Datenschutzkonformität und einen echten, relevanten Nutzen für potenzielle Kunden.
Wer diese Erfolgsfaktoren verinnerlicht und strategisch umsetzt, schafft die Basis für langfristiges Wachstum in einem anspruchsvollen, aber chancenreichen Marktumfeld.