Sales und Marketing – ein scheinbar ewiger Disput. Dabei steckt in der Zusammenarbeit unglaubliches Potenzial. Wie die Silos tatsächlich aufgebrochen werden können und gemeinsame Ziele als Polarstern gelten, darüber haben wir mit Björn W. Schäfer gesprochen.
Zu Björn:
Björn W. Schäfer ist Gründer von Rowing8, dazu noch Angel Investor in verschiedenen Start-ups und Leadership Head Trainer bei der Growthmastery. Seine Leidenschaft ist Wachstumsbeschleunigung von SaaS Start- und Scale-ups im Bereich von Seed bis Series-B.
Wie Sales und Marketing mit gemeinsamen Metriken durchstarten können, das erfahren Sie jetzt.
Die Erwartungen im SaaS-Umfeld sind oft sehr hoch, sowohl an Marketing als auch an Sales. Der Markt bewegt sich schnell und Skalierung gehört zum Grundvokabular jedes Saas-Start- oder Scale-ups. Vor allem das Thema Effizienz beschäftigt viele Gründer, Geschäftsführer und Führungskräfte.
Aber wie lässt sich Effizienz im Marketing oder Sales beispielsweise beziffern? Dazu nennt Björn:
“Da gibt es CAC Payback oder kohortenbasiert CAC Payback – und da sind wir mitten im Thema. Ja, ich kann versuchen, es isoliert zu betrachten. Aber in der Finanzwelt sitzt man später eh gemeinsam am Tisch.”
Die CAC, also Customer Acquisition Cost, ist eine klassische Kennzahl und bezieht nicht nur Werbeausgaben, sondern auch Software- und Personalkosten für Sales und Marketing ein. Die verfeinerte Kohortenanalyse fasst Kunden in Gruppen zusammen und betrachtet diese in einem bestimmten Zeitraum.
Beide Rechnungen haben dabei gemeinsam, dass die grundlegende Frage lautet: Wie effizient gewinnen wir wertvolle Kunden?
“Für mich aktuell die spannendste Kennzahl ist der Impact nach Vertragsabschluss: wie messe ich Impact und wie schnell erreichen meine Kunden Mehrwert durch mein Produkt? Also zum Beispiel: wie viele erreichen tatsächlich die Ergebnisse, die im Salesprozess erwähnt wurden?”
Björn betont, dass in diesem Framework Marketing, Sales, Customer Success und Product alle gemeinsam betrachtet werden müssen.
In vielen Unternehmen gibt es ähnliche Handlungsmuster, die das Potenzial blockieren. Wir haben Björn gefragt, wo er diesen Mustern am meisten begegnet:
“Tatsächlich vor allem auf Bereichsebene: Vor lauter Zahlen und Graphen verliert man dann den Blick für das wirklich Wichtige. Ich sehe häufig, dass sich insbesondere Junior-Führungskräfte zu viel operative Kennzahlen (Input) und zu wenig taktische und strategische Kennzahlen anschauen.”
Dieser sehr praktisch veranlagte Blick auf einzelne Kunden oder Unternehmen ist dabei ein enormer Zeitfresser und stört auch das Zusammenwirken im Team. Es braucht vielmehr eine Analyse, die auf einer höheren gemeinsamen Ebene ansetzt. Was dann in den Bereichen konkret umgesetzt wird, liegt an den einzelnen Teams.
Björn selbst nutzt dazu ein einheitliches Modell, das er uns kurz vorstellt:
“Ich nutze für meine Beteiligungen und Kunden das Open Standard Modell, also das Bowtie von Winning by Design. Das Modell abstrahiert auf einer Metaebene die gesamte Customer Journey. Einer Ebene folgen dann die individuellen Lifecycle- oder Deal-Stages. Der entscheidende Vorteil: es entsteht über alle Bereiche eine gemeinsame Sprachregelung, mit der man alles aggregieren und dann damit auch Handlungen ableiten kann.”
Aus der klassischen Buyers Journey kennt man das AIDA-Modell und die zahlreichen Variationen. Die Reise des Kunden geht hier über verschiedene Schritte/Stages.
“Der erste AHA-Moment passiert, wenn man beginnt, die Reise aus der Kundenperspektive zu betrachten. Das heißt, dass der Kunde entscheidet, wie die Reise aussieht und sich nicht chronologisch von Stage zu Stage hangelt.”
Der erste Teil des Bowtie-Modells betrachtet die Buyers Journey von Awareness über Education bis hin zur Selektion und am Ende Entscheidung oder Konvertierung.
Der zweite Teil beginnt dann mit dem Onboarding des Kunden. Hier geht es darum, wann und wie der gewünschte und erwartete Impact, also die Wirkung, entfaltet wird.
Für Björn ist vor allem diese zweite Phase besonders relevant:
“Häufig gibt es hier eine Kluft. Spannend wird es, wenn der Impact passt und wir dann die Zusammenarbeit erweitern können, also es um die Themen Expansion und Growth geht.”
Das Bowtie-Modell, Version von Björn W. Schäfer (rowing8):
Wie in der Grafik ersichtlich, nutzt das Modell als gemeinsame Basis drei Metriken. Diese sind:
Björn fügt hinzu, dass es im Detail natürlich komplizierter wird. Aber diese Metriken stellen die gemeinsame Basis dar, um Silos aufzubrechen.
Diese Metriken alleine reichen aber nicht aus, es braucht auch eine gute Kommunikation und Kultur in der Organisation – vor allem über die Bereiche hinweg:
“Wie breche ich Silos also auf? Da bin ich ein großer Fan von Transparenz, Klarheit und auch Einfachheit. Dann kann über die drei Kennzahlen gesprochen werden und jeder Bereich darf und soll dann optimieren. Es ist aber wichtig, dass man ein Modell hat, das über die gesamte Revenue-Reise funktioniert.”
Gleichzeitig sei es auch eine Chance für das Marketing. Eine Abteilung, die traditionell oft mit Sales aneinander gerät und aus Sales-Sicht oft schwer mess- und greifbar ist. Ein Unternehmen kann aber nur mit funktionierendem Marketing UND Sales das benötigte Wachstum und das gemeinsame Umsatzziel erreichen.
Laut Björn gibt es also gar keine Alternative. Die Silos müssen fallen:
“Die Frage ist ja immer: was ist die Alternative, wenn ich mein eigenes Süppchen koche? Für mich ist es alternativlos. Das klingt hart, aber provokant gesprochen: nur Leads oder MQLs haben keinen unmittelbaren Wert an sich. Und es geht ja auch über den reinen Sales hinaus. Die Frage, die man also eher stellen muss, ist: wie wachsen Unternehmen? Sie wachsen durch Umsatz, idealerweise gesunden, und dann gehört nicht nur Sales und Marketing, sondern auch Produkt und Customer Success dazu.”
Eine enge Verzahnung und gemeinsame Ausrichtung dieser Bereiche sorgt also für langfristigen Erfolg und damit eine positive Unternehmensbilanz. Dabei muss jeder Bereich schauen, wie hoch der Beitrag zum Umsatz ist und die Kompetenzen entlang der Reise bestmöglich bündelt und so neue Potenziale entfaltet.
Hier merkt Björn an:
“Das Modell ist auch gleichzeitig eine Chance fürs Marketing ohne Vorbehalte zu fragen: wie viel Pipeline-Contribution hat die Kampagne? Wieviel NRR haben wir herbeigeführt?”
Es geht nicht um ein Bashing, sondern darum zu erkennen, wo noch Potenziale schlummern und wie die gemeinsamen Kräfte bestmöglich gebündelt werden können.
Eine gemeinsame Metaebene hilft also, dass Sales und Marketing strategisch näher zusammenrücken und dabei auf dieselben Metriken schauen. Trotzdem werden in vielen Unternehmen noch Sales und Marketing mit Blick auf das gemeinsame Umsatzziel getrennt behandelt. Dazu stellt Björn fest:
“Das ist erschreckend. Es steckt soviel Potenzial in der Verbindung. Sowohl bis zum Sales auch bis über Impact, Expansion und Renewal.”
Silos entstehen nicht einfach irgendwie. Silos sind oft jahrelange Folge von begrenzenden organisatorischen Strukturen und der Unternehmenskultur. Eine oft zitierte Struktur, die gerade unter diesen Silos leidet, ist die Pyramidenorganisation. Aber nicht nur die Struktur entscheidet, auch das Mindset der Führungskräfte ist entscheidend:
“Ich sehe da bei einigen ein Mindset-Thema. Der wichtigste Impuls kommt von den Foundern und dem C-Level, den nächsten Schritt zu gehen. Das ist die beste Voraussetzung, um Silos aufzubrechen. Und gleichzeitig das Wissen darüber, wie ich ein Zielsystem aufbaue, wie alle gemeinsam wirksam zusammenarbeiten.”
Aus seiner Arbeit mit zahlreichen Unternehmen bemerkt Björn in den letzten sechs Monaten einen Trend:
“Die Aha-Momente passieren vor allem, wenn kommerzielle Bereiche mit dem Finanzchef/CFO zusammenarbeiten. Wenn Sales, Marketing und der CFO gemeinsam die Metriken betrachten und auf einem Level sprechen, dann brechen die Silos auf.”
Der Austausch bedeutet, die kommerziellen Daten dann in Finanzdaten zu übersetzen und im nächsten Schritt zu schauen, ob diese zum aktuellen Marktumfeld passen: hinkt man hinterher oder ist man im Aufschwung dabei?
Ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt: wie sieht es mit Krisen aus? Die letzten Jahre waren vom Umfeld alles andere als stabil. Erst Covid, dann die andauernde Rezession. Wie sieht Björn die aktuelle Situation?
“Rezession ist nicht mit Stillstand gleichzusetzen. Es gibt auch in dieser Phase Start-ups, die außerordentlich wachsen. Natürlich ist es in manchen Industrien angespannter als in anderen, wie auch bei Covid. Aber die wichtigste Frage ist: biete ich Mehrwert, den ich auch quantifizieren kann?”
Dieser Mehrwert hilft den Zielkunden, die Lösung direkt einzugruppieren. Es gibt dann Must-Have- und Nice-to-Have-Tools. Das Optimum ist natürlich, ein Must-Have-Tool anzubieten, denn dann ist auch in schwierigen Zeiten Wachstum möglich. Was es aber braucht:
“Eine genaue und saubere Segmentierung der Kunden ist nötig. Nur dann kann man den klaren Mehrwert auch wirklich transportieren. Das heißt also, in solchen Phasen braucht es noch exaktere Arbeit und man muss sich richtig positionieren, als Must-Have-Tool.”
Ein weiterer spannender Punkt ist die neue duale Rolle des CFO. Der CFO ist einmal intern wichtig, um die Silos aufzubrechen, dazu nun gleich mehr. Aber vor allem auch bei der Akquise spielt der CFO inzwischen eine enorm wichtige Rolle – er ist Teil des Buying Committees.
Klare Kennzahlenkommunikation ist also nötig. Der quantifizierbare Mehrwert ist das passende CFO-Messaging. Björn erklärt:
“Sobald du ein finanzgetriebenes Buying Committee hast, stellt sich die Frage: was ist das Risk:Return Ratio? Also übersetzt: Passt das Verhältnis von Investment und Sicherheit, wie gut löst es mein Problem?”
Das bedeutet, Sales-Teams müssen in solchen Phasen noch exakter herausarbeiten, inwiefern sie für ihren Kunden ein sicheres Investment darstellen. Und sofern Vorbehalte von Stakeholdern da sind, diese mit Belegen und Daten aus dem Weg räumen.
Aber auch mit Blick auf den sich schnell bewegenden SaaS Markt, sieht Björn vor allem zwei Dinge immer wieder:
“Einmal eine extreme Unsicherheit im Markt. Und daraus dann das zweite Thema: die exakte Analyse der Zahlen. Aber das ist gerade die Chance, wenn man über CAC Payback spricht. Dann schaue ich mir an:
Diese Fragen können mit der gemeinsamen Basis des Bowtie-Modell sachlich beantwortet werden. Und so kann sich die Art der Zusammenarbeit positiv verändern.
Damit Silos nicht mehr entstehen, stellt sich aktuell die Frage, wie Unternehmen dann strukturiert sein sollen. Werden Sales- und Marketing-Teams zukünftig eine gemeinsame Führungskraft haben? Oder komplett agil organisiert sein?
Dazu haben wir mit Björn gesprochen:
“Ich bin großer Pod-Fan. Ich habe die ersten komplett agilen Firmen gesehen, die auch im kommerziellen und nicht nur im Produktbereich mit Pods arbeiten. Ich denke, dass das kollaborative Arbeiten in guten Segment-Pods eine wichtige Option für die Zukunft sein kann.”
In diesen Pods wären dann beispielsweise Sales, Marketing und Customer Success vertreten.
Im Hinblick auf den gemeinsamen Zielfokus ergänzt Björn, wie er anmerkt, eine unpopuläre Meinung:
“Ich glaube auch, dass die Zeit der individuellen Provisionen vorbei ist, gerade im SaaS-Kontext. Vor allem wenn man bedenkt, dass bis zu 70% des Umsatzes aus Bestandskunden kommt, da passt für mich das Überincentivieren von Neukunden auch nicht mehr in unsere moderne Welt.”
Abschließend richtet Björn im Gespräch erneut den Blick auf neue Chancen und weiter als Sales & Marketing zu blicken, nämlich in Richtung After-Sales:
“Ein wichtiges Thema wird es sein, auch mit den Neukunden zu wachsen. Das heißt, sich Customer Success und Expansion genau anzuschauen, denn dort liegt großes Potenzial zu deutlich günstigeren Kosten verborgen. Und dann natürlich die Arbeit einmal aus der kommerziellen Sicht, aber auch gemeinsam mit Produkt-Teams.”
Wir danken Björn für das offene und aufschlussreiche Interview!
Wenn Sie noch mehr spannende Experteninterview lesen möchten, dann werfen Sie gerne einen Blick ins Interview mit Stephanie Biebel über die drei wichtigsten Grundpfeiler im Sales von Mindset, Skillset und Toolset.